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Gemeinsam im Recht - Opferrecht
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Gewaltschutzgesetz
Bei Körperverletzung oder ständiger Belästigung (Stalking) z.B. innerhalb oder nach Beendigung einer Ehe oder Lebensgemeinschaft besteht die Möglichkeit auf
Schutz und Hilfe durch die Polizei und durch Verfügungen des Gerichtes. Beides kann nebeneinander geschehen, aber auch ineinander wirken:
Notruf bei der Polizei
- Abklärung der Möglichkeit von Mitnahme des Täters (Ingewahrsamnahme)
- dann ggf. Wohnungswegweisung des Täters für zehn Tage
- Anzeige wegen der Straftat möglich
oder
- Strafverfolgung von Amts wegen bei öffentlichem Interesse (dann Anzeige möglich, aber nicht nötig)
Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz (Kontakt- und Näherungsverbot)
- Antrag auf Wohnungszuweisung
- gegebenenfalls Antrag auf vorzeitige Scheidung wegen unzumutbarer Härte
Sollte eine Wegweisung für zehn Tage von der Polizei ausgesprochen worden sein, ist es wichtig, diese zehn Tage zu nutzen, um einen gerichtlichen Antrag - gegebenenfalls auch wegen
Wohnungszu- weisung - zu stellen. Die Wohnungszuweisung wird befristet ausgesprochen und orientiert sich nicht in erster Linie daran, wem die Wohnung oder das Haus gehört.
Die Wohnungszuweisung (das Recht die Wohnung trotz Ehe und/oder gemeinsamen Mietvertrag allein nutzen zu können) ist ein dem Gericht zustehender Eingriff in ein Grundrecht.
Der Antrag ist deshalb sehr ernst zu nehmen und sollte dann gestellt werden, wenn die Be-ziehung beendet ist oder wird und eine andere Lösung aufgrund der bestehenden Gefahr
weiterer Straftaten zum eigenen Nachteil nicht möglich ist.
Sollte das vom Gericht ausgesprochene Kontakt- und Näherungsverbot oder die Wohnungszuweisung nicht eingehalten werden, so stellt dies Straftat dar, die mit Geldstrafe oder
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden kann.
Zum Nutzen und Nachteil von Annäherungsverboten
Mit dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes haben sich die Möglichkeiten verbessert, gegen gewalttätige Partner oder gegen so genannte Stalker vorzugehen.
Die Anfragen Betroffener und hierzu nehmen zu. Manchmal werden sie aber auch einfach zu uns geschickt, weil zuerst angesprochene Helfer sich hilflos fühlen:
"Gehen Sie erst einmal zu einer Anwältin und erwirken Sie eine einstweilige Anordnung".
Dann sind wir nicht selten das Ende einer Helferkette, die auf die Wirksamkeit
eine Stücks Papier setzt.
Wir tun uns damit schwer und möchten Ihnen die Überlegungen aus dem Buch eines Fachmannes hierzu deshalb nicht vorenthalten:
"Anwälte, Polizei, TV-Reporter, Sozialarbeiter, Psychologen und Fürsprecher der Opfer empfehlen Verfügungen des Annäherungsverbots von ganzem Herzen. Sie sind fast schon eine
Wachstumsindustrie und diesem Land. Vielleicht sollten wir uns überlegen, sie an der New Yorker Börse zu platzieren, doch wir sollten unbedingt aufhören, den Leuten zu erzählen,
dass ein Stück Papier sie automatisch schützen würde, denn in manchen Fällen bewirkt es genau das Gegenteil. Es ist sehr gefährlich, für eine bestimmte Art des Vorgehens zu werben,
ohne vorher das Problem des individuellen Falles diagnostiziert zu haben.
Gavin de Becker, Mut zur Angst, Frankfurt am Main 2001, S. 251
In einer Analyse von 179 Fällen des Stalking, die die Bezirksstaats- anwaltschaft von San Diego finanzierte, fanden fast die Hälfte der Opfer, die Gerichtsverfügungen erwirkt hatten,
dass sich ihre Lage dadurch verschlimmert hatte. In einer Studie im Auftrag des US-Bundesjustizministeriums kamen die Forscher zu dem Schluss, dass Gerichtsverfügungen" ineffektiv
seien, um körperliche Gewalt zu verhindern." Sie fanden jedoch auch, dass diese Gerichtsanordnungen hilfreich waren in den Fällen, in denen es zu keinen vorherigen Gewalttätigkeiten
gekommen war. Der Bericht schloss zu recht daraus:" Angesichts der Tatsache, dass es in der Mehrheit Frauen mit Kindern sind, die Gerichtsverfügungen erwirken, und angesichts deren
Ineffektivität, darauf folgende Gewalttätigkeiten zu verhindern, wird eine Vielzahl von Kindern dem Risiko ausgesetzt, Zeugen von Gewalttaten oder aber selbst deren Opfer zu werden.
Eine erst kürzlich für das US-Bundesjustizministerium durchgeführte Studie ergab, dass mehr als ein Drittel der Frauen weiterhin Probleme hatte, nachdem sie einen Gerichtsbeschluss
erwirkt hatten... .Während nur 2.6 % der Klägerinnen, direkt nachdem sie den Beschluss erwirkt hatten , körperlicher Gewalt ausgesetzt waren, hatte sich 6 Monate diese Prozentzahl
mehr als verdreifacht. Auch die Berichte über stetiges Stalking und Psychoterror stiegen nach sechs Monaten dramatisch an. Das weist darauf hin, dass die Gerichtsbeschlüsse
kurzfristigbesser wirken als längerfristig.
(Gavin de Becker, a.a.O. S. 255)
Unterlassungsverfügungen sind am effektivsten bei vernünftigen Menschen, die sich nur begrenzt emotional engagiert haben. (S. 256)
Schlussendlich bedeutet all das, dass es nur einen einzigen guten Grund für eine misshandelte Ehefrau gibt, eine einstweilige Verfügung zu beantragen:
Die Frau ist davon überzeugt, dass der Mann sich dem Gerichtsbeschluss beugen und sie in Ruhe lassen wird. Erwirkt jedoch ein Opfer oder ein professioneller Helfer eine Verfügung,
um jemanden davon abzuhalten, einen Mord zu begehen, dann haben beide wahrscheinlich die falsche Strategie gewählt."
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